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Jürgen Moll unvergessen, denn Löwenherzen schlagen ewig!

Dezember 16th, 2018

Der Verein Eintracht Braunschweig steht für seine stolze Tradition, durch Taten der Menschen, die durch ihre außerordentliche Arbeit und ihr Ehrenamt für Blau und Gelb Geschichte geschrieben haben oder schreiben werden. Wir, die konstante Anhängerschaft, sind ebenfalls Teil des Vereins und haben die Pflicht ihn stolz zu repräsentieren, schützend beiseite zu stehen und seine Tradition zu bewahren. Im Sinne dieser Verpflichtung und der Erinnerung steht die Choreografie des letzten Heimspiels für den Meisterspieler Jürgen Moll und seine Frau Sigrid (geb. Molwitz), deren tragischer Tod sich heute zum 50. Mal jährt.

Da Jürgen nie die Ehrung in vollen Zügen zu Teil wurde, die ihm und seiner Arbeit für den Braunschweiger Sport gebührt, ist die heutige Aktion und die nachfolgenden Zeilen ihm gewidmet:

Jürgen Moll wurde am 16.11.1939 in Karlsbad/Tschechien geboren. Nach Ende des 2.Weltkrieges 1945 flüchteten seine Eltern mit ihm nach Braunschweig. Sein erster Verein, für den er kickte, war der MTV Braunschweig. Vom MTV ging es 1954 für Moll weiter in die Jugend des SC Leu. Dort wurde Eintracht auf ihn aufmerksam, weil er als Mittelstürmer in der Saison 1955/56 94 Tore (!!) erzielt und in der Folgesaison 1956/57 bis März bereits wieder 45 Mal genetzt hatte. Da Leu ihn nicht einfach so gehen lassen wollte, wurde Moll zunächst mit einer Sperre belegt. Diese nutzte er, um am Braunschweiger Hoffmann-von-Fallersleben Gymnasium sein Abitur zu machen und eine Banklehre zu beginnen.

Ab Januar 1958 durfte er dann für die Eintracht-Amateure auf Torejagd gehen, was er erfolgreich tat: Bei seinem Debüt gelangen ihm gleich 2 Tore. Nur zwei Monate später wurde er schon in die 1. Mannschaft integriert. Diese spielte in der damals höchsten Spielklasse, der Oberliga Nord, und schaffte es, die Saison hinter dem HSV als Tabellenzweiter zu beenden. Dieser Platz berechtigte zur Teilnahme an der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft, die in zwei Gruppen ausgetragen wurde. Obwohl es Eintracht in dieser Spielzeit nicht an treffsicheren Stürmern fehlte – der BTSV stellte mit Thamm und Meyer die beiden Besten der Torjägerliste –, wurde der junge Moll in allen drei Partien der Endrunde gegen Schalke, den KSC und Tennis Borussia Berlin eingesetzt und erzielte dabei 3 Treffer.

Nachdem der noch 18jährige im Juli einen Lizenzspielervertrag unterschrieben hatte, durfte er sich in der Folgesaison 1958/59 schon Stammspieler in der Oberliga nennen (20 Einsätze), war aber hinter dem erfahrenen Thamm Stürmer Nr.2. Das änderte sich auch in den folgenden zwei Spielzeiten nicht. Bis zum Sommer 1961 kam Moll in 63 Oberligaspielen (einschl. Endrunde Sommer 1958) zum Einsatz und traf dabei 27 Mal ins gegnerische Netz. Als Thamm dann seine Karriere beendete, begann Jürgen Molls große Zeit. In der Saison 1961/62 absolvierte er jedes der 30 Punktspiele und schoss dabei 26 Tore. In der Folgesaison 1962/63, die für die Festlegung der Bundesligavereine letztendlich von entscheidender Bedeutung sein sollte, war er mit 23 Toren in 26 Partien nicht minder erfolgreich. Mit seinem Torinstinkt trug er erheblich dazu bei, dass Eintracht den dritten Platz in der Abschlusstabelle erreichte und als dritter Nordvertreter nach dem HSV und Werder Bremen das Startrecht für die neugeschaffene Bundesliga erhielt.

Moll blieb dem BTSV auch bei Einführung der Bundesliga 1963 treu. Eigentlich wollte er zum HSV wechseln, zumal er inzwischen auch ein Volkswirtschaftslehre-Studium in Hamburg begonnen hatte, blieb dann aber seinem Heimatverein treu, als feststand, dass Eintracht ebenfalls der Bundesliga angehören würde. Andere interessante Angebote, so von Preußen Münster, schlug er ebenfalls aus. Er brach sein Studium ab und kehrte nun ganz nach Braunschweig zurück.

In der 1.Bundesliga-Saison stand Moll in jedem Spiel (30) auf dem Platz und war neben Wuttich mit 8 Treffern erfolgreichster Stürmer der Blau-Gelben. Sein erstes Bundesligator gelang ihm dabei am 2.Spieltag. Mit dem 1:0 gegen Preußen Münster in der 15.Spielminute zeichnete er für den ersten Sieg von Eintracht in der Bundesliga verantwortlich.

In der nächsten Spielzeit 1964/65 lief es mit 6 Toren in 25 Partien nicht ganz so rund für Moll, was den damaligen Trainer Johannsen auf die Idee brachte, ihn zum linken Außenverteidiger umzuschulen. Fortan spielte er nur noch in der Abwehr. Sein Stürmerblut konnte er jedoch nie verleugnen, ging häufig mit nach vorn und erzielte immer wieder einmal ein Tor. Jürgen Moll war damit zu einer Zeit, als die Verteidiger im Prinzip nur Defensivaufgaben besaßen, einer der ersten, der ein modernes Außenverteidigerspiel praktizierte.

In der Saison 1965/66 gelangen Moll (in 21 Begegnungen) immerhin 3 Treffer. In der Meisterschaftssaison 1966/67, in der er jede Minute der 34 Saisonspiele auf dem Rasen stand, war er sogar 5x erfolgreich.

Alle diese Tore, die von ihm sämtlich in der Rückrunde erzielt wurden, waren besondere Treffer. Sein erstes Saisontor eröffnete den Torreigen gegen den Tabellenzweiten aus Frankfurt (3:0), sein zweites Tor war das „goldene Tor“ gegen den deutschen Meister von 1966 1860 München 13 Minuten vor Schluss (1:0) und sein drittes Tor blamierte die Bayern aus München vollends, da es für sie bereits das fünfte Gegentor darstellte (5:2). Bayern Keeper Sepp Maier verbrannte nach diesem Spiel sein Trikot. Mit dem vierten Tor, seinem einzigen Auswärtstor, eroberte Moll Eintracht 48 Sekunden vor dem Abpfiff einen wichtigen Punkt bei Fortuna Düsseldorf (1:1). Das fünfte Tor schließlich war das letzte Saisontor für den neuen deutschen Meister Eintracht Braunschweig gegen den „Club“ aus Nürnberg, ebenfalls in der letzten Spielminute erzielt (4:1). Nach diesem Treffer stürmten die Fans den Platz.

Auch in der folgenden Spielzeit 1967/68 verzichtete Trainer Johannsen nicht ein einziges Mal auf seinen Linksverteidiger (34 Spiele, 5 Tore). Dasselbe galt ebenfalls für die Hinrunde der Saison 1968/69 (17 Spiele, 0 Tore). Da mit Beginn dieser Saison jedoch erstmalig ein Wechsel pro Team erlaubt war, kam Moll in zwei Partien nur zu Teileinsätzen.

Dem Grunde nach führte Jürgen Moll kurz vor Weihnachten 1968 in jeglicher Hinsicht ein Bilderbuchleben. Der Modellathlet mit den blauen Augen war Stammspieler bei einem Bundesligaverein und darüber hinaus auch als Versicherungsmakler sehr erfolgreich. Daneben verdiente er sich als Model für eine Bekleidungsfirma aus Hamburg mit Niederlassung in Braunschweig so manche Mark hinzu. Privat hatte er sein Glück mit der Heirat der aufstrebenden Schauspielerin Sigrid Molwitz gefunden und der Geburt der zwei gesunden Töchter Alke (*1964) und Caroline (*1967) gefunden. Zusammen mit seiner Familie lebte er im eigenen Haus in Lehre, das damals zum Landkreis Braunschweig gehörte.

Dann schlug das Schicksal zu. Auf der Rückfahrt von Sylt am 16.12.1968 verunglückte Jürgen Moll gemeinsam mit seiner Ehefrau Sigrid auf der Autobahn zwischen Hamburg und Hannover (bei Evendorf) bei Schnee und Glätte mit seinem PKW schwer. Moll war sofort tot, seine Ehefrau kurz danach. Die beiden Kinder, die bei den Großeltern geblieben waren, standen plötzlich ohne Eltern da.

Der Schock und die Anteilnahme im Harz- und Heideland waren groß. Allein 4.000 Menschen kamen zur Trauerfeier, darunter die komplette Mannschaft von Hannover 96 und die Nationalmannschaft.

Zugunsten der Kinder fanden am 14.4.1969 noch zwei Benefizspiele statt. In dem einen spielte die Weltmeisterelf von 1954 gegen eine Auswahl früherer Nationalspieler. Es sollte das einzige Mal bleiben, in dem die Weltmeister um die Walther-Brüder und Rahn nach dem Titelgewinn geschlossen antraten. Weltmeistertrainer Sepp Herberger hatte sich immer gegen einen solchen Auftritt seines Teams gewehrt, weil er fürchtete, der Mythos des Einmaligen würde so zerstört. Als ihn aber Johannsen um den Auftritt im Rahmen der Benefizveranstaltung bat, willigte er ein. „Jürgen Moll war diese Ausnahme wert“, sagte er später. Im zweiten Benefizspiel trat eine gemischte Auswahl von Eintracht und Hannover 96 gegen eine Bundesligaauswahl an. 21.000 Zuschauer waren eine imponierende Kulisse. Für die Mädchen kam ein Reinerlös von 100.000 DM zusammen.

Die jüngere Tochter der Molls Caroline verstarb bereits 2014. Die ältere Tochter Alke dagegen lebt inzwischen wieder in der Region und widmet sich als Künstlerin der Malerei. Ihr Lieblingsbild? Ein Löwe!

Mit seinen 101 Toren in 278 Punktspielen nimmt Jürgen Moll noch immer den zweiten Platz in der Torjägerliste von Eintracht ein. In der Bundesliga kam er zwischen 1963 und 1968 161 Mal für die Blau-Gelben zum Einsatz und schoss dabei 27 Tore.

Insgesamt absolvierte er 296 Spiele in der Liga, Vereins- sowie Europapokal im Eintracht-Trikot und schoss dabei 105 Tore.

Dass wahre Löwen niemals vergessen werden, wurde erst wieder am 17.8.2018 deutlich, als sich in Wendhausen daran erinnert wurde, dass Familie Moll jahrelang im Teichtal gewohnt hatte. So fand im Zeichen des Andenkens das erste Jürgen-Moll-Gedächtnisturnier statt.

Einmal Löwe – Immer Löwe!

Text: Schommi – www.remember-blaugelb.de