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Sportgerichtsbarkeit

Forderungskatalog Sportgerichtsbarkeit

Überblick

Die Fanszenen fordern eine grundsätzliche Beschränkung der Sportgerichtsbarkeit auf Vorfälle, die im direkten Bezug zum sportlichen Wettbewerb stehen. Für alle anderen vermeintlichen Vorfälle rund um ein Spiel ist der Rechtsstaat in der Pflicht eine Bewertung vorzunehmen und ggf. Sanktionen zu verhängen. Insofern ist die Empfehlung von Hr. Grindel auf Kollektivstrafen zu verzichten ein erster Schritt in die richtige Richtung, allerdings noch nicht ausreichend.

Einleitung

Mit der Pressemeldung vom 16.08.2017 hat der DFB nach über 12 Jahren nahezu fruchtlosen Dialogs einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Mit der „Empfehlung“ des Aussetzens von Kollektivstrafen hat Reinhard Grindel ein Kernanliegen der Fans auf Zeit verwirklicht. Dennoch kann dieser Schritt aus Sicht der Fankurven nur ein erster sein.

Die Fankurven erkennen an, dass es eine Sportgerichtsbarkeit braucht, die fair und transparent Belange des Sports verhandelt. Unsportlichkeiten auf dem Rasen oder mit direktem Spielbezug müssen im Rahmen des Verbandsrechts sanktioniert werden. Für alles Andere gibt es aus Sicht der Fankurven den Rechtsstaat.

Vorfälle, die keinen direkten Einfluss auf das Spiel haben, sollten nicht durch die DFB-Sportgerichtsbarkeit bewertet werden. Dass diese Bewertung in der Vergangenheit intransparent und ungleich war, wird später dargelegt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Verzicht auf Kollektivstrafen zu spät kommt und zu wenig ist.

Darüber hinaus ergibt sich auch auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des OLG  Köln  bezüglich  der  Haftung  Einzelner  für  Verbandsstrafen  bereits  eine  weitergehende Fragestellung, ob das Verschuldensprinzip nicht hierdurch ausgehebelt wird.

Kollektivstrafen

Die sogenannten Kollektivstrafen widersprechen von Grund auf unserem Rechtsverständnis. Mit gutem Grund wird dem Verschuldensprinzip nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Verfassungsrang eingeräumt. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu formuliert: „Dem Grundsatz, dass jede Strafe – nicht nur die Strafe für kriminelles Unrecht (Hervorherbung durch den Autor), sondern auch die strafähnliche Sanktion für sonstiges Unrecht – Schuld voraussetze, kommt Verfassungsrang zu. Er ist im Rechtsstreitprinzip begründet.“1 Es gibt kein Rechtssystem, das Kollektivstrafen enthält und nach unserem Werteverständnis als Rechtsstaat empfunden wird. Insofern muss – ungeachtet der diskutablen rechtlichen Bewertung – die „Empfehlung“ von Herrn Grindel ab sofort und dauerhaft für das DFB-Sportgericht gelten und auch satzungsgemäß verankert werden. Noch zu definieren wäre hier auch der Begriff „ungestörter Spielablauf“ bzw. „ordnungsgemäßer Spielbetrieb“.

Darüber hinaus ist die Eignung derartiger Kollektivstrafen auch in ihrer Wirkung aus objektiven Gesichtspunkten mehr als zweifelhaft. Dass die Anhängerschaft und insbesondere die Mehrheit der betroffenen Stadiongänger diese als ungerechtfertigt ablehnen, braucht sicherlich nicht nochmal angemerkt werden.

Beispiele:

Fortuna Düsseldorf – Hertha BSC 12.05.2012

Bei dem Relegationsspiel gab es ein Missverständnis und so glaubten tausende Fans den Aufstieg feiern zu können. Der folgende Platzsturm gilt gemeinhin als Zeichen der Freude. Der daraus folgende mediale Aufschrei stand in keinem Verhältnis zu den vorliegenden Fakten. Dennoch sah sich das DFB-Sportgericht dazu gezwungen – schlussendlich – Teilausschlüsse zu verhängen.2

Borussia Dortmund – Rasenballsport 04.02.2017

Beim Spiel im Dortmunder Westfalenstadion äußerten die BVB-Fans ihren Protest gegen die Werbemannschaft, die unter Missachtung der Satzungen von DFB und DFL in den Profifußball protegiert wurde. Von den über 60 Spruchbändern waren allerdings nur vier strafrechtlich relevant.3 Dennoch verurteilte der DFB den BVB zu einem Teilausschluss.

Intransparenz und Ungleichheit der Sportgerichtsbarkeit

Die Sportgerichtsbarkeit ist in hohem Maße intransparent. Durch das Zusammenziehen von Verfahren, einem „Vorstrafenregister“ und der Ungleichbehandlung ist die Sportgerichtsbarkeit derzeit nicht dazu geeignet Akzeptanz zu erzeugen.

Aufgrund der Tatsache, dass die Verfahren und die Entscheidungsgrundlage auch in Fällen des Ausspruchs von Kollektivstrafen nicht veröffentlich werden, ist auch eine individuelle Überprüfbarkeit unter Akzeptanzgesichtspunkten schlicht nicht möglich. Auch die Einschlussfaktoren, die dem jeweiligen Urteil zugrunde liegen, sind derart vielfältig und zumindest soweit nachvollziehbar, stets in unterschiedlicher Gewichtung urteilsmaßgeblich, dass hierdurch keinerlei Transparenz und Nachvollziehbarkeit geschaffen werden kann. Dies führt auch dazu, dass objektiv zumindest die Entscheidung für den einzelnen Betroffenen Ungleichheiten offenbart. Hier lässt sich nur der Schluss ziehen, dass die Institution „Sportgerichtsbarkeit“ mit zweierlei Maß misst, ungeachtet natürlich des Kriteriums der Leistungsfähigkeit des betroffenen Vereines, was zweifelsohne immer auch die Entscheidung beeinflusst.

Ungleichheit

Vor dem Recht sind alle gleich und manche gleicher. Anders lässt sich die DFB-Sportgerichtsbarkeit nicht beschreiben. Dass die DFB-Sportgerichtsbarkeit mit zweierlei Maß misst, lässt sich an Hand kleiner Beispiele erläutern.

Beispiele

DFB-Pokalfinale

Das DFB-Sportgericht sanktioniert bei vermeintlichem Fehlverhalten der Fans sowohl den Verein der Fans als auch den Gastgeber. Ansatzpunkt ist immer, dass präventiv nicht ausreichende Maßnahmen ergriffen wurden, um Fehlverhalten verschiedener Fans zu unterbinden. Dies wird mit Verletzung der Sorgfaltspflicht des Gastgebers begründet. Bezeichnenderweise gilt dies offensichtlich nicht, wenn der DFB selbst der Veranstalter ist. Dieser Schluss entsteht durch die letzten DFB-Pokalfinals, bei denen regelmäßig beide Finalteilnehmer sanktioniert wurden, aber nicht der DFB.

FC-Bayern-Halbzeitshow

Am 20.05.2017 feiert der FC Bayern die Meisterschaft. Zur Feier trat u.a. eine prominente Popsängerin in der Halbzeitpause auf. Durch ihren Auftritt musste der Anpfiff zur zweiten Halbzeit mehrere Minuten verschoben werden. Eine „ordnungsgemäße“ Durchführung des Spiels war somit nicht möglich. Dennoch wurde der FC Bayern mutmaßlich qua Status und Reputation nicht durch das DFB-Sportgericht sanktioniert. In anderen Fällen führten Verschiebungen des Anpfiffs zu empfindlichen Sanktionen für die Vereine, immerhin lag ein Eingriff in den ungestörten Spielablauf und somit auch die ordnungsgemäße Durchführung des Spielbetriebes vor, die satzungsgemäß gewähreistet sein muss.

Beleidigungen

In der jüngsten Vergangenheit wurden vermehrt sogenannte Schmähgesänge / Schmähplakate sanktioniert. Hier fällt insbesondere der besondere Schutz der Person Dietmar Hopps auf. Wenn man dagegen sich die Vita der Person Ullrich Hoeneß anschaut, wurden Beleidigungen gegen seine Person niemals sanktioniert.4

Genauso handelt der DFB in viel stärkerem Maße bei Personengruppen. Während es schon immer in Stadien zu Beleidigungen der gegnerischen Fangruppen kam, wird die Beleidigung der Gruppe/Institution vom DFB sanktioniert.5

Flaschenwurf von Julian Nagelsmann 26.11.2017

Beim Spiel gegen Borussia Mönchengladbach warf Julian Nagelsmann aus Frust eine Flasche und traf(!) einen Zuschauer. Das DFB-Sportgericht verzichtete aber auf Ermittlungen! Wäre die Flasche von einem Fan geworfen worden, wäre natürlich gegen die Vereine ermittelt worden. Wäre Hr. Nagelsmann gar getroffen worden, wäre mutmaßlich ein Teilausschluss o.ä. gegen den/die Verein(e) verhängt worden.

Transparenz

Rechtsprechungen durch das DFB-Sportgericht sind in keinster Weiser nachvollziehbar oder transparent. Die Vereine stimmen in der Mehrzahl den Urteilen nur zu, weil in einer Berufung noch größere Strafen angekündigt werden. Die Bemessung des Strafmaßes wird durch das Zusammenziehen mehrerer „Delikte“ bewusst intransparent gehalten. Weiterhin ist es kritisch, dass Ankläger und Richter in einer Organisation vereint sind, die nicht scharf getrennt ist und intransparent für Außenstehende ist. Auch hingewiesen werden muss darauf, dass die Beweiserhebung im Regelfall nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt, werden doch immer wieder Berichte von Beteiligten – in der Regel DFB-Beauftragte – als faktische Grundlage für die Urteile bemüht. Des Weiteren ist nicht klar abgegrenzt, wo die Zuständigkeit des DFBs überhaupt anfängt und aufhört.

Beispiele

Bestrafung Borussia Dortmunds vom 13.02.2017

Im Anschluss an das o.g. Bundesliga-Spiel wurde der BVB vom DFB-Sportgericht bestraft. Darunter wurde auch ein Spruchband aus dem Hinspiel vom 10. September 2016 geführt. Das Fanmagazin schwatzgelb.de hat danach die Bilder vom Block studiert und kein kritisches Spruchband gefunden, auf offizielle Nachfrage weigerte sich der DFB zu erklären, welche Spruchband mit welchem Inhalt bestraft wurde.6 Es fast müßig zu erwähnen, dass hier unmittelbar Betroffenen eine Erklärung verweigert wurde.

Bestrafung Rot-Weiß Erfurts vom 08.10.2014

Im Nachgang eines Freundschaftsspiels(!) von Rot-Weiß Erfurt wurde zum Abschied vom Stadion Pyrotechnik verwendet. Dieses Spiel fand außerhalb des offiziellen Spielrahmens statt, die Pyroshow nach dem Spiel war sowohl bei Verein und Stadt Erfurt als separate Veranstaltung angemeldet und auch genehmigt worden. Trotzdem bestrafte der DFB das Abbrennen von Pyrotechnik.

Regressforderungen

Das DFB-Sportgericht honoriert strafmildernd das Ermitteln der Täter und die Inregressnahme durch die jeweiligen Vereine. Diese Praxis ist aufgrund der tatsächlichen Ausgestaltung in hohem Maße asozial, wie sich auch im bekannten BGH- und letztlich OLG-Köln-Urteil widerspiegelt. Auch wenn der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 22.09.2016 erst einmal die grundsätzliche Inanspruchnahme des Einzelnen für Verbandsstrafen bejaht hat, ist diese aus Sicht der Fankurven zumindest in der nunmehr auch durch das OLG Köln mit seinem Urteil vom 09.03.2017 bestätigten Höhe aus Sicht der Fankurven nicht zu akzeptieren. Die vermeintlichen Täter werden mit Schadensforderungen in einer Höhe konfrontiert, die vollkommen unabhängig von der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem konkret eingetretenen beurteilbaren Schaden und auch nicht der Wertigkeit seiner eigentlichen „Tat“ nach geltendem Recht – Verbandsrecht hier ausgenommen – konstruiert werden.

Aufhänger ist mal wieder die Formulierung des „ungestörten Spielablaufs“. Weder der Bundesgerichtshof noch der DFB definieren den Begriff „ungestörter Spielablauf“, der Bundesgerichtshof äußert sich dazu, dass sich aus der Sicht des Zuschauers ein „ungestörter Spielablauf“ auf „spielstörendes Verhalten des Zuschauers“ bezieht. Im Hinblick auf eine konkrete Definition ist allerdings auch das Urteil des Bundesgerichtshofs hier wenig aussagekräftig. Insbesondere, dass es scheinbar für den FC Bayern nicht gilt (s.o.).

Das DFB-Sportgericht bestraft in der Regel nicht die Einzeltat, sondern kommt in einem – wie oben dargestellt – höchst ungleichen, intransparenten Verfahren zu einer Gesamtstrafe. Zusätzlich bestraft das Sportgericht in völlig anderen Strafmaßen als es der Rechtsrahmen der Bundesrepublik Deutschland vorsieht.7 Das alles führt dazu, dass dieses Vorgehen in hohem Maße als ungerecht empfunden wird. Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass die Fankurven sich nicht spalten lassen, wie es Hr. Koch und Kollegen sich offensichtlich erhofft hatten.

Im Weiteren führt dieses Vorgehen zu einer persönlichen Belastung, die der Sache überhaupt nicht gerecht wird, das Ganze weit abseits einer ohnehin möglichen bestehenden zivilrechtlichen Haftung des Betroffenen.

Letztlich führt dies auch zu einer Doppelbestrafung, die zumindest unter dem Gesichtspunkt des grundrechtlich verankerten Verbotes einer Doppelbestrafung diskutabel erscheinen dürfte, auch wenn es letztlich um eine zivilrechtliche Anspruchslage geht, letztlich ist allerdings die Ausstrahlungswirkung des Verbandsrechts, die somit unmittelbar auch auf den Einzelnen eine Rechtsfolge bewirkt, weiter diskutabel.

Berücksichtig werden muss hier insbesondere, dass auch für ein gleichartiges Vergehen, der betroffene Fan eines Bundesligavereins eine höhere Strafe zu erwarten hat als der betroffene Fan eines Vereins der unteren Ligen, da die finanzielle Leistungsfähigkeit der Vereine ja in die Verbandsstrafe eingepreist wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Betroffene keine Möglichkeit hat, dem Urteil des Sportgerichts zu widersprechen. Aus den oben gemachten Ausführungen wird deutlich, dass Fans die DFB-Rechtsprechung für ungerecht halten. Der DFB spielt sich hier als eine Strafinstanz auf, die der Sportgerichtsbarkeit nicht zusteht.8

Die aufgezeigten Punkte und Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt der ganzen Kritik am DFB-Sportgericht. Nahezu alle Fankurven können weitere Beispiele dafür liefern, warum das DFB-Sportgericht keine Akzeptanz in den Stadien erfährt und jemals erfahren wird. Der DFB als Verband mit seinem Organ Sportgericht ist nicht fähig vermeintliches Fanverhalten in angemessener und akzeptierter Weise zu würdigen.

Wir meinen auch, dass dies gar nicht nötig ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat und alles „Fehlverhalten“ kann der ordentlichen Rechtsprechung zugeführt werden. Beleidigungen, Pyrotechnik, Gewalt usw. können durch das staatliche Rechtssystem sanktioniert werden. Einige dieser Delikte sind dabei sogar nur Antragsdelikte, die rechtsstaatlich nicht zwangsläufig verfolgt werden – im Gegensatz zum DFB Sportgericht. Die Vereine als Hausherren haben bei allen Verstößen gegen die Stadionordnung die Möglichkeit eine Anzeige zu erstatten und zivilrechtliche Schritte einzuleiten. Auch steht es jedem Stadionbesucher frei, den Rechtsweg zu beschreiten.

Darüber hinaus besteht auch auf der Grundlage der jetzigen Rechtsprechung, insbesondere zum Thema Regressforderungen der Vereine, weitergehender Diskussionsbedarf über die Zweckmäßigkeit der verschuldensunabhängigen Geldstrafen für die Sicherung des Wettbewerbs nach DFB Rechts- und Verfahrensordnung. In jedem Fall wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt.

Es besteht aber auch gar keine Notwendigkeit, dass der DFB sich in diesem Maße einmischt. Wie erwähnt steht allen Beteiligten der ordentliche Rechtsweg frei. Vergleiche mit anderen Sportarten und -verbänden zeigen auch, dass der Fußball hier eine Sonderrolle einnimmt. Dies gilt es zu beenden!


  1. So auch Walker NJW 2014, Seite 119; BVerFGE 20, 323 (331)
  2. Das das Übersteigen der Zäune im Freuden Fall keine Gefahr darstellt, hat man früher ohne Probleme gelebt – vgl. https://youtu.be/WHu3yIF9Ohs
  3. Vgl. https://www.ruhrnachrichten.de/Staedte/Dortmund/Nur-vier-Anti-Leipzig-Banner-strafrechtlich-relevant-29497.html
  4. bspw. https://youtu.be/0t-gYG9SWc8
  5. Strafe 12.07.16 gegen Eintracht Frankfurt, 07.06.2017 Preußen Münster,
  6. Mail vom 14.02.2017 liegt vor.
  7. http://t.wn.de/Muenster/2016/02/2275063-Richterspruch-zu-Aktion-im-Preussen-Stadion-Bengalo-Rauch-Keine-Strafe-fuer-Ultra-Anfuehrer
  8. Anmerkung: Ähnlich wie bei Stadionverboten wird bewusst eine Schattenjustiz errichtet. Strafen ist aber ureigenste Aufgabe des Staates.